Almsommer-Tour (41): Aiplspitz

impressionen aus spitzingsee

Wenn man im Tal der Leitzach zwischen Bayrischzell, Aurach und Hundham unterwegs ist, sticht einem beim Blick auf die Gebirgskette im Süden neben dem wuchtigen Miesing-Massiv insbesondere die markante Aiplspitz ins Auge. Der 1.759m hohe, zur Rotwand-Gruppe zählende und östlich des Spitzingsees liegende Berg ist das Ziel unserer heutigen Wanderung. Der nordseitige, im oberen Abschnitt teils ausgesetzte Aufstieg von Aurach oder Geitau aus ist eher etwas für erfahrene „Schrofen-Kraxler“. Wir starten am Spitzingsattel und wählen den Zustieg über den Westgrat vom Tanzeck aus. Anschließend überschreiten wir den Aiplspitz-Gipfel und steigen auf dem „Normalweg“ über den Ostgrat in Richtung Krottentaler Alm ab. Auch auf dieser Route werden Trittsicherheit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt, besonders bei Nässe besteht im Bereich des Grats stellenweise erhöhte Rutsch- und Absturzgefahr.

 

Die Anfahrt zum Spitzingsee ist auf der Deutschen Alpenstraße zwischen den Orten Schliersee-Neuhaus (aus Richtung Miesbach kommend) und Aurach (aus Richtung Fischbachau bzw. Bayrischzell kommend) ausgeschildert. Die breite Spitzingstraße führt ab der Abzweigung rund 4km stetig bergauf. Auf der Passhöhe angelangt fahren wir nicht hinab nach Spitzingsee, sondern parken direkt am Spitzingsattel. Stellplätze gibt es linkerhand der Straße gegenüber bzw. hinter dem „Brotzeitstüberl“ (kostenpflichtiger Wanderparkplatz, 4 EUR Tagesgebühr).

 

Unser Ausgangspunkt liegt auf 1.127m Seehöhe. Wir verlassen den Parkplatz in südöstlicher Richtung und marschieren auf einem unbeschilderten, aber deutlich erkennbaren Pfad über die Viehweiden der Spitzingalm (nicht zu verwechseln mit den Spitzingalmen im Wendelstein-Gebiet). Es geht erst flach dahin, dann im Zick-Zack den steilen Hang hinauf. Der Schulterblick reicht bis zum Schliersee. Nach wenigen Minuten tauchen wir in den dichten Bergwald der Lochgrabenschneid ein. Ein ruppiger Steig führt uns auf wurzeligem, steinigem und felsigem Untergrund, aber in moderater Steigung bergwärts. Eine feuchte Passage ist mit Holzbohlen ausgelegt.

Nach rund 30 Minuten Gehzeit endet der Waldabschnitt. Kurz darauf folgt eine Weggabelung, an der wir uns links halten. Die Aiplspitz ist hier mit verbleibenden 1,5 Stunden Gehzeit ausgeschildert, die Zwischenstation Schönfeldhütte mit 20 Minuten (rechts ginge es weiter auf der Hauptroute in Richtung Taubenstein / Rotwand / Miesing). Der Pfad steigt in offenem Gelände stetig an, rechterhand schauen wir über blühende Wiesenhänge hinunter auf die Südspitze des Spitzingsees. Dahinter ragen die bewaldeten Gipfel von Stolzenberg und Rotkopf sowie die durch Skilifte erschlossenen Roßkopf und Stümpfling auf. Rechts von uns verläuft auch die Trasse der nur noch während der Sommersaison verkehrenden Taubenstein-Seilbahn. Einige Höhenmeter weiter oben ist der Spitzingsee zur Gänze überblickbar, im Osten thronen Bodenschneid und Brecherspitz.

Bald darauf wird es flacher. Vor der Kulisse von Rauhkopf, Taubenstein und Lempersberg tauchen die ersten Hütten der Unteren Schönfeldalm auf. Am Fuß der Wilden Fräulein vollzieht der Pfad einen Linksbogen und wendet sich nach Nordosten. Auf 1.410m Höhe passieren wir nach fast 1 Stunde Gehzeit die bewirtschaftete Schönfeldhütte, unsere heutige Einkehrstation auf dem Rückweg.

Oberhalb der Alm-Fahrwege folgen wir weiter dem Pfad zur Aiplspitz, der durch den von Wilden Fräulein (1.615m), Jägerkamp (1.746m) und Benzingspitz (1.735m) eingerahmten Kessel führt. Wir wandern an den urigen Hütten der Oberen Schönfeldalm vorbei. Im Anschluss nimmt die Steigung deutlich zu. In Serpentinen marschieren wir einen steilen, licht bewaldeten Hang hinauf. Die immer weitreichender werdende Aussicht auf das Schinder-Kar mit seiner Herzerl-Form, die Tegernseer Hausberge sowie Rofan- und Karwendelgebirge begleitet uns.

Rund 45 Minuten nach der Schönfeldhütte treffen wir am Sattel auf eine Wegverzweigung. Links geht es auf dem sanften Verbindungsrücken – an der von Latschen verdeckten Benzingspitz vorbei - hinüber zum Jägerkamp (Ostgipfel), den wir zuletzt bei einer Wanderung von Aurach aus via Benzing- und Jägerbauernalm besucht haben. „Gipfelsammler“ können beide weitgehend unschwierig erreichbare Ziele innerhalb von ungefähr 30 Minuten (für die einfache Strecke) in die Tour integrieren. Wir orientieren uns stattdessen nach rechts und queren unter geringem Höhenverlust die grasige Mulde am oberen Rand der Weideflächen der Schnittlauchmoosalm (1.616m). Die Pfade hier sind aufgrund der nahen Bergstation der Taubensteinbahn meist etwas stärker frequentiert und teils tief ausgetreten. Nach rechts zweigen Übergänge in Richtung Rauhkopf / Taubenstein / Rotwand ab.

Vor uns können wir bereits den kegelförmigen und felsigen Gipfelaufbau der markanten Aiplspitz erkennen, rechts davon rücken Miesing, Rotwand und Taubenstein ins Blickfeld. Dahinter funkeln die schneebedeckten Gipfel der Zentralalpen. Der Gegenanstieg endet am Tanzeck, einer der Aiplspitz vorgelagerten Erhebung im Verbindungskamm zwischen Jägerkamp / Benzingspitz und Rauhkopf.

Das latschenbewachsene, 1.703m hohe Tanzeck - eher „Wegmarke“ als Gipfel - ist insbesondere im Winter, wenn der Zustieg zur Aiplspitz zu heikel ist, ein beliebtes Ziel von Skitourengehern. Nach bisher insgesamt 2 Stunden Gehzeit „kämpfen“ wir uns durch die dichten Latschen zum höchsten Punkt des Fähnchen-geschmückten Tanzeck und genießen den unverstellten Ausblick auf die Spitzingseer Bergwelt und unser Tagesziel samt Gipfelgrat.

Nach kurzem Verweilen steigen wir wieder hinunter zum Steinmandl unterhalb des Tanzeck, an dem zwischen Latschen der Zustieg über den Westgrat zur Aiplspitz beginnt. Ein Schild weist darauf hin, dass dieser rund 30-minütige Schlußabschnitt alpine Erfahrung erfordert.

Der Steig führt zunächst einige Meter hinunter und umgeht das Tanzeck auf der exponierten Nordflanke. Linkerhand fällt der Berghang steil ab, ein Drahtseil sichert den folgenden kurzen, leicht ausgesetzten Gegenanstieg. An einem Grateinschnitt östlich der Tanzeck-Kuppe wechseln wir auf die Südseite, wo die Überquerung einiger speckiger Felsplatten ansteht. Auch diese luftige Passage ist mit einer Seilsicherung versehen. Den zahlreichen roten Markierungen folgend steigen wir durch felsiges, latschendurchsetztes Gelände den Grat entlang. Es folgt eine weitere Schlüsselstelle, an der eine Felsstufe ungesichert abwärts zu überwinden ist (Kletter-Experten sprechen wohl vom Schwierigkeits-grad UIAA I).

Danach geht es wieder steiler über Plattenkalk bergauf, der schrofige Aufschwung erfordert nochmals den Einsatz der Hände. Nachdem die letzten Schwierigkeiten gemeistert sind, fehlen nur noch wenige von insgesamt knapp 650 Höhenmetern bis zum Gipfelkreuz, das wir rund 2,5 Stunden nach dem Aufbruch am Spitzingsattel erreichen.

Auf der 1.759m hohen Aiplspitz erwartet uns ein grandioses Rundum-Panorama. In unmittelbarer Nachbarschaft reihen sich Hochmiesing, Rotwand, Lempersberg, Taubenstein und Rauhkopf im Süden, Benzingspitz und Jägerkamp im Osten sowie die nördlich vorgelagerten Erhebungen Nagelspitz und Heißenplatte aneinander. Weiter im Norden sind die Randberge des Leitzachtals vom Auracher Köpferl und Rohnberg / Schliersberg über Schwarzenberg, Breitenstein und Bockstein, Schweinsberg und Wendelstein überblickbar. Wildalpjoch, Traithen und Seeberg schließen sich weiter östlich an. Der Tiefblick erfasst Hausham und Schliersee ebenso wie das gesamte Leitzachtal zwischen Hundham, Aurach und Bayrischzell. Unter uns erkennen wir auf rund 1.340m die Benzingalm sowie die Geitauer Alm (Alpl), von der offenbar die Bezeichnung „Aiplspitz“ abgeleitet ist. Südlich unter uns liegt die Krottentaler Alm, zu der wir anschließend absteigen.

Auf unserer Rundtour überschreiten wir nach der Gipfelrast die Aiplspitz nach Osten. Der Abstieg über den Südostgrat ist kaum ausgesetzt und stellt den einfachsten Aufstiegs- bzw. Abstiegsweg dar. Dennoch ist auch hier - besonders bei schlechtem Wetter - ein Mindestmaß an Trittsicherheit notwendig. Der Pfad leitet uns – anfangs mit schönem Ausblick Richtung Bayrischzell – zwischen Latschenfeldern hindurch bergab.

Auf Höhe des östlich zum Kleinmiesing hin auslaufenden Gratrückens queren wir einen Wiesenhang und tauchen anschließend in ein kurzes Waldstück ein. Vom gegenüberliegenden Hoch- bzw. Dürrmiesing trennt uns der Krottentaler Graben mit dem darin verlaufenden Almweg. Über offene Bergweiden marschieren wir das letzte Stück südwärts zur Krottentaler Alm (1.435m) hinab, wo wir rund 40 Minuten nach dem Gipfel ankommen. Im dem idyllischen Almkessel passieren wir das dort gelegene Naturfreundehaus. An der oberen von zwei weiteren Almhütten zweigt an einem Wegweiser nach rechts der anfangs schwer erkennbare Pfad zum Taubensteinhaus, unserem nächsten Zwischenziel, ab.

Über felsdurchsetzten Almgrund und durch lichten Wald leiten uns rote Markierungspunkte nun wieder bergauf. Wir passieren einen Überstieg und erreichen kurz darauf die große Wiesenfläche unterhalb des Verbindungswegs von Taubensteinbahn-Bergstation und Taubensteinhaus. Ein schwach ausgeprägter Pfad führt uns in wenigen Minuten links hinauf zum Taubensteinhaus auf 1.567m Höhe (Gehzeit ab Krottentaler Alm etwa 30 Minuten).

Das Taubensteinhaus haben wir zuletzt bei einer Wanderung zum Taubenstein & Rauhkopf (vom Spitzingsee aus) besucht. Nach Renovierungsarbeiten und Wirtewechsel ist es seit Ende Mai wieder geöffnet. Details zur Bergwirtschaft des DAV bietet unser damaliger Tourenbericht sowie die aktualisierte Hütten-Homepage www.taubensteinhaus.de.

Bei unserer Ankunft ist gerade aufgrund einer Versorgungsfahrt geschlossen. Am Gedenkkreuz hinter dem Haus genießen wir deshalb nur kurz den Rückblick auf die Abstiegsroute von der Aiplspitz zur Krottentaler Alm sowie den Ausblick auf den grünen Kessel unterhalb der Rotwand mit der Kleintiefenthal-Alm.

Dann brechen wir in Richtung Taubensteinbahn-Bergstation auf. Diese lassen wir rund 10 Minuten später ebenso wie den Taubenstein-Gipfelweg linkerhand liegen. Am Taubensteinsattel (1.592m) ist unser Einkehrziel, die Schönfeldhütte, mit 30 Minuten Gehzeit ausgeschildert. Ein Wiesenpfad führt geradeaus durch den oberen Lochgraben hinunter zum Fahrweg, auf dem man dann nach rechts wieder etwas zur Bergwirtschaft ansteigen muss. Wir wählen eine alternative, nicht beschilderte Variante, die angesichts der Trittspuren aber offenbar auch gängig ist. Der Pfad führt uns kurz nach rechts in Richtung Rauhkopf, zweigt dann aber schräg links ab und umgeht den Gipfelbereich weiter westlich über Wiesen und durch ein Waldstück. Am Rücken des Rauhkopfs queren wir das ehemalige Pistengelände um den stillgelegten Rauhkopflift. Linkerhand überblicken wir die Untere Schönfeldalm samt Rauhkopfhütte und Schönfeldhütte. Auf dem Weg hinab in die Scharte zwischen Rauhkopf und Tanzeck können wir nochmals einen Blick hinauf zum Querkamm oberhalb der Schnittlauchmoosalm und zur Aiplspitz werfen. Rechterhand fällt die nordöstliche Flanke des Grats steil zum Krottentaler Almkessel hin ab.

Am Rauhkopfsattel (1.554m) angekommen wenden wir uns nach links und marschieren entlang des Weidezauns talwärts. Der Abstieg im grasigen bzw. leicht bewaldeten Gelände ist teils steil und schwer erkennbar, doch mit dem linksseitig verlaufenden Weidezaun als Orientierungshilfe kann man die Route mit etwas Wegfindigkeit kaum verfehlen. Am untersten Gebäude der Oberen Schönfeldalm treffen wir auf einen geschotterten Fahrweg, dem wir nach links folgen. Rund 1 Stunde nach dem Taubensteinhaus gönnen wir uns auf der Terrasse der Schönfeldhütte die verdiente Einkehr.

 

Die auf 1.410m auf einer Hochalmfläche gelegene, ursprünglich 1949 erbaute Schönfeldhütte ist ein Haus des Deutschen Alpenvereins (Sektion München). Bewirtschaftet wird die Hütte von dem Wirtepaar, das auch die Albert-Link-Hütte nahe des Spitzingsees betreibt. In der gemütlichen Gaststube oder auf der großen Sonnenterrasse mit herrlichem Blick hinüber zum Taubenstein genießt man traditionelles Hüttenessen. Auf der (Tages-) Karte stehen zum Beispiel Linseneintopf, Leberknödel- / Speckknödel- / Kaspressknödel-Suppe, Spinatknödel, Schinkennudeln, Wildfleischpflanzerln, Kaiserschmarrn sowie weitere hausgemachte Mehlspeisen und Kuchen. Die verwendeten Produkte und Zutaten stammen soweit möglich aus der Region.

Die Schönfeldhütte, die nahezu das gesamte Jahr über geöffnet ist, bietet Übernachtungsgästen insgesamt 36 Schlafplätze, davon 26 in Mehrbettzimmern und 10 in einem Matratzenlager. Details kann man im Internet unter www.davplus.de/schoenfeldhuette nachlesen.

Nach der Jause wandern wir in knapp 40 Minuten von der Schönfeldhütte auf der vom Aufstieg bekannten Route zurück zum Parkplatz am Spitzingsattel, wo unsere heutige Aiplspitz-Rundtour nach insgesamt etwa 5,5 Stunden (reine Gehzeit ohne Gipfelrast und Einkehrpause) zu Ende geht.

Eine abwechslungsreiche Rund-Wanderung in der Bilderbuch-Almlandschaft östlich des Spitzingsees mit etwas anspruchsvollerem Gratweg zum Gipfel !

Günter Etschel ALMVOLK

 

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Die Berichte sind jedoch grundsätzlich subjektiver Natur und explizit auch nicht als Wanderführer gedacht. Gehzeiten und Schwierigkeiten sind individuell unterschiedlich, Bedingungen vor Ort wie Wegverhältnisse, Beschilderungen oder Hütten-Öffnungszeiten können sich jederzeit ändern. Eine eigenständige Tour-Vorbereitung und Beurteilung von Routen, Wetterverhältnissen und möglichen Gefahren sind unverzichtbare Voraussetzungen für jede Unternehmung in alpinem Gelände. Dazu zählen auch das vorherige Studium von Informations- und Kartenmaterial, das Mitführen einschlägiger Ausrüstung sowie die realistische Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit. Dies gilt umso mehr bei Streckenverläufen abseits markierter Wanderwege oder gesicherter Steige.

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